Vorwort
In meinem Elternhaus gab es nur wenige Bücher. Aber zwischen diesen Büchern steckte ein brauner Umschlag mit 24 eng beschriebenen Seiten. Es war ein mit einer Schreibmaschine geschriebener Brief, genaugenommen war es ein Durchschlag eines Briefes. Wenn man dünnes Papier benutzt und darunter Kohlepapier legt und ein weiteres Blatt oder weitere Blätter, so kann man mehrere Kopien gleichzeitig herstellen.
Diesen Brief hat der Steyler Missionar Josef Puhl geschrieben und an die Verwandten in der Heimat geschickt. Seine Heimat war der Ort Reimsbach im nördlichen Saarland. Reimsbach ist auch der Geburtsort meiner Großmutter mütterlicherseits. Ihr Mädchenname war Veauthier und das war auch der Mädchenname der Mutter des Missionars, also waren meine Großmutter und Josef Puhls Mutter Geschwister. Meine Großmutter hieß Maria und vielleicht ist sie es, die einmal in dem Brief direkt angesprochen wird.
Josef Puhl berichtet von seiner Fahrt nach Argentinien, wo er als Missionar leben und arbeiten sollte; er war damals 27 Jahre alt – das große Abenteuer hatte für ihn begonnen – es war seine Berufung!
Leseprobe
An Bord der Monte Sarmiento
Endlich ist der Würfel gefallen! „Die Argentinier haben die Einreiseerlaubnis erhalten.“ Also denn doch, wir konnten nun getrost nach Bremen fahren, um unsere Passangelegenheiten zu ordnen, nachdem wir schon einmal vergebens dort vorgesprochen hatten. Wir schreiben Dienstag, den 4.9.38. Im Nachtzug sausen wir durch die deutschen Gaue im Bewusstsein, dass dies die letzte Fahrt auf heimatlichem Boden sei. Das Dunkel der Nacht verbarg auch unsere stillen Gedanken! Der nächste Morgen sah uns vor dem argentinischen Konsulat, um unsere Papiere ausstellen zu lassen. Hätten wir nicht ganz gewiegte und einflussreiche Männer zur Hand gehabt, ich glaube, man hätte uns totgeredet und totgefordert, d.h. man hätte so viel von uns an Papieren verlangt, dass uns die Monte Sarmiento auch durchgegangen wäre, nachdem wir schon wegen der Sperre seitens Argentiniens die Monte Rosa verpasst hatten. Aber E i n e r wollte offenbar, dass wir mitkamen, und daher ging die Sache flott! In Bremen habe ich noch meinen Bruder Alois aufgesucht, mit dem ich die Erinnerungen unserer letzten Tage durchging. Leider habe ich in Bremen die Bremer Musikanten nicht gesehen; hier merkte ich mal wieder, dass alles bloß ein Kindermärchen sei – wiederum war ich einmal mehr im Leben enttäuscht worden! Und wie oft wird das noch passieren, aber schlimmer!