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AQ 11 - Literatur

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Beiträge:

Roger Herman: Lyrik, konkret
Alois Brandstetter: Lateinische Lyrik

Peter Melzer: Los und gelöst

Max Neumann: auf dem Baum

Yves Jaffrenou: La Tour de Babel

Axel Hertenstein: Grafiken

Alois Brandstetter: Axel Hertenstein

Manfred Römbell: Situation & Was zu tun ist

Elisabeth Alexander: 8 Bums-Gedichte
Jürgen Kästner: Gedanken I - XX
Hans-Heinrich Pardey: Inwieweit Peter Handke als Metrofahrer von Bedeutung ist
Claus Bremer: Avantgarde und Aufstand (siehe Leseprobe unten)
Wolfgang Schirm: philosophie von geschehen und etwas
H.C. Schmolck: Jonas - INSERT (auf Packpapier)
Erwin Stegentritt: Biographie
Siegfried Hohlfeld: Brief und Texte
d.p. meier-lenz: Texte
Helmut Zenker: Texte
rainer regidur: manifest
rolf lerner: 5 sätze
Hans-Heinrich Pardey: Der Mann in meinem Kopf - zweimal Gilbert
miriam emainam: Das Ist Es
Ruth Greiber-Schramm: Der kleine Käfer
rainer g. schmidt: vergleich
Manfred Ach: Kurztexte
Manfred Schumacher: bense

Hrsg.: Manfred Schmeling, Erwin H. Stegentritt, Karl-Heinz Teufel, Volker Triankowski
1971, 92 S. 26 x 20 cm (Auflage: 700 Ex.) 30,- €

 

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Lesepobe aus AQ 11

 

 

Claus Bremer: Avantgard und Aufstand

Kunstwerke, die avantgardistisch sind, sind von ihren Herstellern ausgeordnet. Avantgardistische Kunstwerke sind das Gegenteil von Mitteln zur Einordnung. Sie sind das Gegenteil von Werbemitteln, von Mitteln zur Verführung oder Ablenkung. Sie stellen bloß. Sie stellen in Frage. Nicht nur teilweise. Sie machen ehrlich. Sie führen her. Nicht nur in die eigenen vier Wände. Sie führen an die eigene Haut. Sie ermutigen zum Eigenen. Auch wenn dieses Eigene  noch so halb, noch so klein, noch so unangemessen und unwesentlich scheint. Sie sind das Gegenteil irgendeiner Manipulation. Sie dienen nicht der Unterdrückung, sondern dem Ausdruck. Sie reden nicht ein, sondern bringen zur Sprache. Sie machen mündig. Das noch nicht schubladisierte, noch nicht etikettierte Kunstwerk lenkt her, her zum Persönlichen. Das noch nicht klassifizierte, avantgardistische Kunstwerk entflechtet. Es entkolonnisiert. Es befreit den, der ihm begegnet, zu sich selbst. Avantgardistisch ist das Kunstwerk, das den Betrachter entdeckt. Auch wenn der herrschende Gleichschritt noch so sehr gestört wird: es bringt ins Selbstgespräch. Und mit dem Selbstgespräch ins Gespräch mit andern, die im Selbstgespräch sind. Es verbündet die, die mit sich selbst im Gespräch sind. Das avantgardistische Kunstwerk macht den, der sich mit ihm beschäftigt, zu dem, der er wirklich ist. Es macht ihn zum Menschen. Es macht ihn zu jemand, der zu nichts als zu allen gehört.

Weil das Kunstwerk, soweit es die Wirkung eines avantgardistischen Kunstwerks hat, angesichts der Ordnungen, die die Welt beherrschen, in der wir leben, auf seine eigene Weise zum Aufstand verpflichtet, gehört es zu den Kräften, die die Gefahr heraufbeschwören, daß die Menschlichkeit, für die sie eintreten, ausgelöscht wird.

Es genügt also nicht, daß das Kunstwerk, um avantgardistisch zu sein, allein von der Sorge um den Aufstand für den Menschen profiliert ist, es muß auch durch die Sorge bestimmt sein, daß dieser Aufstand dieselben Wirkungen hat, die es selbst auszeichnen.

Das Kunstwerk, das avantgardistisch sein will, muß versuchen, daß es den Aufstand, den es auszulösen mithilft, ebenfalls zum avantgardistischen Kunstwerk macht und die Aufständischen zu avantgardistischen Künstlern. Durch welche Mittel das auch immer geschieht - die Skala der Möglichkeiten ist reich und an kein bestimmtes Medium gebunden -: hier liegt die gesellschaftliche, die politische Mitverantwortung des künstlerischen Avantgardismus. Die Aufstände müssen unsere Sache werden: Auch wir, wir Avangardisten, wir Bewußtseinsveränderer, müssen uns kümmern. Erst wenn Aufstand avantgardistische Kunst ist, ist die Sicherheit gegeben, daß selbst die strengste Organisation vom Menschlichen kontrolliert wird.

Wollen wir Avantgardisten der Kunst sein, müssen wir es nicht nur schaffen, die Kunst zum Aufstand, sondern auch den Aufstand zur Kunst zu machen.


 „Avantgarde und Aufstand“ aus Thema Theater, Frankfurt/M. 1971

 


Biografische Daten zu Claus Bremer

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