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Platamonas

            Am Himmel leuchten die Blitze, doch der Donner ist nicht zu hören: das Unwetter ist jenseits der Thermopylen, jenseits der Berge, durch die die Perser gekommen sind, den Griechen in den Rücken fallend. Zeus begrüßt uns erneut.

 

            Wir fahren nach Platamonas,  nicht eigentlich nach Platamonas, sondern in das Ferienhaus der Familie im Nachbarort. Es wird dennoch immer nur von Platamonas gesprochen. "Ist deine Schwester schon in Platamonas?" - "Es regnet in Platamonas." - "Platamonas muß sauber gemacht werden."

 

            Seit vielen Jahren fahren wir dorthin, im Sommer. In einem Klappstuhl sitzend, im Gras, im Schatten habe ich dort geschrieben, gelesen. Den Sommer habe ich beschrieben, die Hitze und das Leben der großen Familie, die sich dort immer wieder trifft. Doch dieses Jahr ist alles anders: die Hausherrin ist im Frühjahr gestorben.

 

            In diesem Haus haben sich die Mitglieder der Familie versammelt, nicht nur die Eltern, sondern auch die Geschwister der Mutter und des Vaters, und deren Kinder und manchmal auch deren Freundinnen und Freunde; und da sind noch einige Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen, deren Familien und so weiter.

 

            Die aus Athen, die sich ihre Arroganz aus der Antike bewahrt haben.  Die Schwester der Hausherrin, die eines Nachts im Ferienhaus ankommend nicht in dem Schlafzimmer neben ihrer Schwester schlafen wollte. Deren Kinder, die sich den Schlüssel für das Haus ausgeliehen haben und nicht zufrieden waren, weil das Haus noch nicht für den Sommer vorbereitet war.

 

Diese Schwester liebte das Londoner Kaufhaus Harrod's. Sie legte einen bleichen Puder auf ihre Wangen. Sie verbrachte Stunden in ihrer Küche, beim Backen und Kochen eine Zigarette im Mundwinkel.

 

Der Bruder des Hausherrn war Schauspieler und konnte wunderbar die Augen rollen. Er hatte eine tiefe wohltönende Stimme und seine Äußerungen waren immer so, als würden sie durch einen Windhauch aus dem fernen Epidauros herübergeweht und wir säßen auf den oberen Rängen im Theater und verfolgten ein Schauspiel. Er konnte die tragischen Rollen spielen, war aber im Leben ein großer lieber Komödiant. Im Winter spielte er in Athen oder er machte Filmaufnahmen, im Sommer zog er mit einer Truppe durch das Land und spielte auf den Festivals in den entlegenen Teilen Griechenlands. Hier auf der Burg von Platamonas habe ich ihn spielen sehen. Auf Thassos habe ich Theaterleute getroffen, die bewundernd von ihm sprachen.

 

Andere sind gekommen, manchmal für eine Nacht auf der Durchreise, für ein Wochenende, für ein Fest, auch zu der Zeit, als die Fahrt aus Athen acht oder neun Stunden Autofahrt bedeutete - eine Zugfahrt dauerte noch länger und mußte mit Zubringer- und Abholdienst organisiert werden.

 

Doch ein tagelanger, wochenlanger Gastaufenthalt war die Regel, denn das Meer ist nur wenige Schritte entfernt, die Hausherrin und ihre Töchter versorgen die Gäste, stehen in der Küche und servieren auf der riesigen oberen Terrasse.

 

Es sind schöne Ferien für die Gäste, so daß sie immer wieder kommen. Werden sie eingeladen? - oder ist es eine Selbstverständlichkeit, da zu sein? Denn die anderen Familienmitglieder, die schon in Platamonas eingetroffen sind, rücken zusammen.

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